ZITAT

Mur plus beau que tableau - tableau pas bon.
Serge Poliakoff      
MARCO FEDIER-BLATTER
Malereien: „Halbe/Halbe“, Galerie am Leewasser, Brunnen
25. Februar bis 25. März 2007
Die Ausstellung „Halbe/Halbe“ von Marco Fedier in der Galerie am Leewasser in Brunnen fokussiert auf die 2005/06 entstandene, gleichnamige Werkgruppe von Marco Fedier. Gezeigt werden rund 45 Arbeiten.
Vom funktionalen Zeichen zum abstrakten Werk
Ausgangspunkt für Marco Fediers Arbeiten sind rein funktionale Farbaufträge von Wegweisern und Bodenmarkierungen, wie sie im öffentlichen Raum der Orientierung dienen: Etwa auf Bergwegen in Uri und im Wallis, am alten Gotthardsaumpfad auf der Passhöhe, auf der Furka, am Klausenpass und auf den Graubündner Passstrassen oder an zentralen Plätzen wie dem Zürcher Bürkliplatz oder der Piazza della signoria in Florenz. Ausschlaggebend für die Wahl der Orte ist jedoch weniger ihre geografische Lage als die vorherrschenden Licht- und Wetterverhältnisse und das Angebot an Malereien. Die ursprüngliche, zweckorientierte Konnotation der Zeichen interessiert Fedier dabei nicht, vielmehr sind sie Ausgangspunkt für eigene, nach ästhetischen Kriterien funktionierende Bildfindungen, die neue Strukturen und andere Ordnungen hervorbringen, sich dabei aber die vorgegebenen Bedingungen zunutze machen.
Arbeitsmethoden
Fedier fotografiert mit hochauflösenden Digitalkameras zerkratzte, verblasste Verkehrstafeln, verwitterte Wegmarkierungen für Wanderer oder schwungvoll aufgetragene Bodenlinien für die Verkehrsleitung. Dabei verändert er die vorgefundene Situation nicht, sondern fokussiert auf Ausschnitte, in denen das Aufeinandertreffen von Untergrund und Farbauftrag, das Nebeneinander verschiedener Farbaufträge und Materialien oder das gleichzeitige Vorhandensein von trockenen und feuchten Flächen besonders auffällig sind. Die einmal gewählten Ausschnitte bearbeitet Fedier anschliessend am Computer: Kontraste werden verschärft, Farben akzentuiert, Strukturen herausgearbeitet. In einem Blow-up-Verfahren wird das Bild nachträglich teils massiv vergrössert und als Tintenstrahldrucke auf hochwertigem Papier gedruckt.
Halbe/Halbe
In der aktuellen Serie „Halbe/Halbe“ liegt die Aufmerksamkeit des Künstlers immer bei den mal scharfen, mal ausfransenden Trennungen, die im Grenzbereich von Bodenbelag und Farbauftrag entstehen können, bei witterungsbedingten Rissen im Asphalt oder auch durch die asymmetrisch-hälftige Verteilung verschiedener Farbaufträge im gewählten Ausschnitt. Bildtitel wie „Zweialt“, „Terremoto“, „Unten-Oben“, „Xylotl“, „Bis“, „Quergelb“, „Gotthard IX“ oder „Candela“ sind dabei weniger inhaltliche Bedeutungszuschreibungen, denn als assoziative Namensgebungen des Künstlers während des Entstehungsprozesses. Es bleibt viel Interpretationsspielraum für eigene Assoziationen der Betrachterin oder des Betrachters.
Intensive Farbigkeit
Viele Arbeiten entfalten eine dreidimensionale Wirkung, die an abstrakte Malerei mit pastosem Farbauftrag erinnern lässt. Unterstützt wird diese Bildwirkung durch die Präzision der Bearbeitung, aber auch durch die intensive Farbigkeit des gewählten Ausschnitts selbst. Eine besondere Aura schliesslich erhalten jene FineArtPrints, die auf leuchtend bunte Buchbinderleinen caschiert sind. Die Farben strahlen dezent auf die weissen Umgebungswände ab, da die Bilder nicht direkt an die Wand gehängt sind.
ZITAT      
"Die Geschichte der Kunst ist nicht die Geschichte technischer Fortschritte, sondern die Geschichte sich wandelnder Vorstellungen und Bedürfnisse."
E.H. Gombrich
MARCO FEDIER-BLATTER
Malereien: Galerie am Platz, Eglisau
9. Januar bis 12. Februar 2007
„Malereien“ nennt Marco Fedier-Blatter seine neuen und zumeist grossformatigen Arbeiten, eine Bezeichnung, die sich erst auf den zweiten Blick erschliesst: Denn die Werke sind nicht mit Pinsel und Farbe entstanden, sondern in einem mehrstufigen Verfahren als FineArtPrint von digitalen Fotografien. Wo ist also die Malerei? Sie steht am Anfang und am Ende des künstlerischen Prozesses. Ausgangspunkt für Fediers Arbeiten sind rein funktionale Farbaufträge, die als Zeichen, Wegweiser oder Bodenmarkierungen den öffentlichen Raum organisieren und der Orientierung dienen. Fedier interessiert diese ursprüngliche, zweckorientierte Konnotation nicht, wenn er ihnen auf seinen meist zufälligen Wanderungen begegnet. Vielmehr ist er auf der Suche nach eigenen Bildfindungen, die nach ästhetischen Kriterien funktionieren.
Trifft Fedier auf zerkratzte und in ihrer Farbe verblasste Verkehrstafeln, auf pastellfarbene Kreidezeichnungen von Kindern oder auf gesprayte Farbmarkierungen im Schnee, fotografiert er sie. Er zoomt das Aufeinandertreffen von Untergrund und Farbauftrag, wobei die Aufmerksamkeit immer auf den (farb)strukturellen Unterschieden liegt, auf Grenzen, die aus der Nähe betrachtet keine mehr sind, sondern immer stärker ausfransen. Fedier interessiert sich für Risse im Asphalt, für witterungsbedingte Farbabblätterungen und Muster, die durch Mehrfachübermalung entstanden sind. Dabei verändert er die vorgefundene Situation nicht, aber er nimmt dem Zeichen die konventionelle Bedeutung als Wegmarke, indem er nur auf die Ausschnitte fokussiert, ihm die Ganzheit nimmt.
Diesem Blow-up folgt als zweiter künstlerischer Eingriff die Bildbearbeitung am Computer: hier werden Kontraste verschärft, Farben akzentuiert, Struktur herausgearbeitet. Die so bearbeiteten Ausschnitte werden in bis zu vierzehn Farben grossformatig auf edlem Hadernpapier gedruckt - der dritte Verfremdungsschritt.
So zufällig Fedier die Zeichen findet, so bewusst folgt also die künstlerische Bearbeitung, bis ein Bild entsteht, das in seiner Farbintensität und teils fast greifbaren dreidimensionalen Wirkung tatsächlich an Malerei und pastosen Farbauftrag erinnert. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man nahe an die grossformatigen Arbeiten tritt: Ist das ganze Gesichtsfeld ausgefüllt, üben einige Werke eine Sogwirkung aus und im Kopf des Betrachters, der Betrachterin werden unterschiedliche Assoziationen geweckt, etwa an ein Lichtermeer einer Stadt, an eine karge Kraterlandschaft oder an die mikroskopische Ansicht einer Bakterienkolonie. Doch so abstrakt die Arbeiten sind, die Fedier einzeln oder in Serien zeigt, es lassen sich immer wieder auch Hinweise auf die ursprüngliche Situation finden. Denn hie und da lassen sich Spuren einer entschwundenen Realität ausmachen: Tannennadeln, Eiskristalle oder gefallenes Laub. Diese werden so ihrerseits zu subtilen Wegmarkierungen für die aufmerksame Betrachterin oder den aufmerksamen Betrachter.